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Aktuelles zum Thema Rudersport.

Bootsobleute als „Haftungsnarren“

Jeden Tag, zu unterschiedlichen Zeiten, wird auf Deutschlands Flüssen und Seen gerudert. Alle Bootsklassen sind unterwegs, mit Steuermann oder ohne Steuermann. Ebenfalls unterwegs sind Segler, Stand-up-Paddler, Motorboote, Hausboote, Schwimmer, alles was mit der Freizeit zu tun hat, ab und zu auch Enten, Schwäne sowie die Berufsschifffahrt in all ihrer Komplexität. Zudem gibt es auf den Gewässern Betonnungen und Hindernisse. Alles zusammen eine große Anzahl an Gefahrenstellen, wobei die Ruderer „rückwärts“ fahren, hingegen der gesamte Rest vorwärts.

 Ihren Blick nach vorne verschaffen sich die Ruderer durch die Steuerleute oder bei ungesteuerten Booten, indem sich der Bugruderer in bestimmten Abständen umschaut. Ist ein solches „Umschauen“ als „Vorausschauen“ ausreichend um Gefahren für Leib und Leben abzuwenden? Mit Sicherheit nicht für Boote ohne Steuermann.

Es dürfte ausgeschlossen sein, dass Bugleute die gleiche Wahrnehmung haben wie Steuerleute, die das Geschehen ständig vor sich beobachten können. Ein solches Umschauen ist mit erheblichen Unsicherheitsfaktoren belegt. Es findet nicht ständig statt, sondern nur in Zeitintervallen. Diese Zeitintervallen stellen einen wesentlichen Unsicherheitsfaktor dar und es kommen weitere hinzu: eingeschränkte Beweglichkeit des sich Umschauenden, eingeschränkter Sichtwinkel durch eine Brille, aber auch altersbedingte Schwerhörigkeit, sonstige Ablenkungen, Unaufmerksamkeiten, Konzentration auf das sportliche und technische Rudern. In Summe bedeutet dies, dass Boote ohne Steuermann für die Ruderer selbst sowie für Dritte und für Sachen wegen der vielen Unsicherheitsfaktoren, so wie ausgeführt, ein zusätzliches Gefahrenpotenzial beinhalten. Nichts anderes gilt letztlich, wenn auch nur im eingeschränkten Bereich, für Boote mit Steuerleuten. Steuerleute haben zwar eine Sicht nach vorne, jedoch eingeschränkt durch die vor ihnen sitzende Mannschaft (wenn der Steuermann, wie meist, hinten im Boot sitzt). Solch einer Gefährlichkeit muss entgegengetreten werden.

 Auf viel befahrenen Gewässern, wie hier auf der Hamburger Außenalster, kommen sich Ruderer und motorisierte Boote manchmal ins Gehege. Foto: Langbehn  

 Der Rudersport muss durch die Verantwortlichen sicherer gemacht werden. Kameras, Bildschirme, akustische Signale, etc., mit denen Gefahren rechtzeitig erkannt und dargestellt werden können, sind grundsätzlich vorhanden und für Ruderboote adaptiert einzusetzen. Dazu müssen sich die Vereine verpflichten. Der Einbau solcher Hilfsmittel kann durch die Vereine selbst erfolgen oder durch ihr entsprechendes Einwirken auf die Bootswerften, direkt oder über die Landesverbände oder den Deutschen Ruderverband. Mit zu schützen sind ebenfalls die Steuerleute. Auch sie sind mit entsprechenden Sicherheitstechniken auszustatten. Auf diese Weise können Gefahren zwar nicht ausgeschlossen, aber erheblich gemindert werden. Die Sicherheit von Leib und Leben, die Sicherheit von Gegenständen, Sachen Dritter, ist unabdingbar zu gestalten. Es stellt nach Auffassung des Autors eine anzuprangernde Nachlässigkeit dar, dass es insoweit keine gesetzlichen Vorgaben gibt, dass Vereine von sich aus gefahrreduzierende, technische Möglichkeiten nicht zum Einsatz bringen, um den Rudersport im Allgemeinen sicherer zu machen.

 Warum auch immer wurden durch den Gesetzgeber in den Ruderbetrieb die sogenannten „Bootsobleute“ mit Haftungsverantwortlichkeiten implantiert. Es sind diejenigen, auf die im Schadensfall zu allererst zugegriffen wird. Hierbei geht es um die zivilrechtliche Haftung auf Schadenersatz und um die strafrechtliche Verantwortlichkeit im Falle der fahrlässigen Körperverletzung beziehungsweise fahrlässigen Tötung. Bootsobleute sind damit die Haftungsnarren im Laiengewand, die im Schadensfall ganz vorne den Kopf hinzuhalten haben. Bei der Durchsicht von mindestens 30 Ruderordnungen fällt auf, dass den Bootsobleuten in unterschiedlicher Art und Weise zahlreiche Verantwortlichkeiten auferlegt werden, die sie nicht erfüllen können. Es handelt sich zum Beispiel um die Kenntnis der gesetzlichen Bestimmungen für das Hausrevier, der Kenntnis der Sicherheitsrichtlinie des Deutschen Ruderverbandes, der Kenntnis der Ruderordnung, der Kenntnis der Hinweise und der Ratschläge des Weltruderverbandes, der korrekten Abwicklung, was geschehen muss in Notfällen und vieles mehr.

Aus Gründen der Vereinfachung werden in Vereinen bei ungesteuerten Booten meistens die Ruderer mit der Nummer 1 (Bugleute) automatisch zu Bootsobleuten gemacht. Individuelle Absprachen mit protokollierter Zustimmungserklärung bei jeder Ausfahrt dürften die Ausnahme sein. Es muss Schluss sein mit einer einseitigen Haftungsverlagerung auf die Ruderer, die vermutlich noch nicht einmal Kenntnis darüber haben, auf was sie sich letztlich als Bootsobleute einlassen. Deswegen bedarf es haftungsentlastender Gestaltungen.

 Die Vereine haben sicherzustellen, dass Bootsobleute ausreichend versichert sind und die Versicherungen auch grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz abdecken. Zudem müssen Vereine verpflichtet werden in ungesteuerten und gesteuerten Booten Sicherheitstechniken zu installieren, Mithaftungserklärungen anderer Ruderer zum Standard zu machen, Bootsobleuten auf jeden Fall die Sicherheit zu geben, dass der Verein hinter ihnen steht. Die derzeit praktizierte pauschale Verantwortungsübertragung auf Bootsobleute im Rahmen von Ruderordnungen oder Satzungen ohne entsprechende Haftungsfreistellungen ist ein beschämender Zustand (ob ggf. eine rechtliche Wirksamkeit solcher Vorgaben gegeben ist, wäre anderweitig zu klären). Kein Ruderer würde sehenden Auges im Falle eines Unfalls, der vom Ruderboot verschuldet wurde, die Erklärung abgeben, er sei bereit die zivilrechtliche und strafrechtliche Verantwortlichkeit, auch im Falle der fahrlässigen Körperverletzung oder der fahrlässigen Tötung übernehmen.  Günter Bach

 

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