Vereine & Verbände

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125 Jahre Ruder-Club Rastatt

Mit Freunden im Boot

Spartenverein in guter Gemeinschaft mit Seglern und Motorbootfahrern

Der Deutsche Ruderverband stritt gerade darum, ob künftig in Dreh- oder Festdollen gerudert werden solle. Da saßen vier Schüler, vermutlich bier- oder weinselig, in Rastatt zusammen und beschlossen, einen Ruderverein zu gründen. Das war 1898 und ist nun 125 Jahre her. Ein triftiger Grund für den Ruder-Club Rastatt dies angemessen zu feiern.

Der RCR wurde einst als Ruderverein gegründet, heute ist er ein Spartenverein und führt ein einvernehmliches Auskommen mit seinen beiden „Mitbewohnern“. Es ist ein freundschaftliches Neben- und Miteinander mit den anderen beiden Sparten der Segler und Motorbootfahrer. So zählt der Verein mittlerweile über 620 Mitglieder. 120 sind es in der Sparte der Ruderer, dazu 470 Segler und 40 Motorboote haben ihren Liegeplatz vor dem gemeinsamen Bootshaus am Goldkanal, der auf der Gemarkung der Rastatter Nachbargemeinden Elchesheim-Illingen und Steinmauern liegt. Die Segler, die unter dem Namen Ruder-Club auch bei internationalen Regatten starten, sind die sportlich erfolgreichste Sparte. Erst jüngst kehrte Jürgen Eiermann als Vize-Weltmeister von der Internationalen 5,5 Meter Weltmeisterschaft bei der Royal Yacht Squadron zurück ins badische Revier.

Die Gründerväter des Vereins um Anton Walter, der auch der erste Vorsitzende war, ruderten einst auf der Murg, doch der vormals stattliche Fluss führte durch die Ableitungen einer ansässigen Papierfabrik zusehends weniger Wasser, so dass die Ruderer notgedrungen beschlossen, an den Goldkanal umzuziehen. Das war vor 60 Jahren und stellte nach der Gründung 1898 den zweiten wichtigen Meilenstein in der langen Vereinsgeschichte dar. „Böse Zungen behaupten, wir hätten uns aus rein finanziellen Gründen mit den Seglern und Motorbootfahrern verbrüdert“, sagt Vorsitzender Matthias Koerwer mit einem Augenzwinkern. Tatsächlich waren es ganz praktische Erwägungen, ein gemeinsames Bootshaus am Goldkanal zu errichten und zu beziehen und damit auch Nutznießer aller Synergien zu sein, die eine gemeinsame Immobilie so bietet. Das zirka drei Kilometer lange und 800 Meter breite Wassersportrevier nutzen hauptsächlich Ruderer und Segler. Die Motorbootfahrer queren das Gewässer auf einer vereinbarten Fahrrinne, um ihrer Passion überwiegend auf dem angrenzenden Rhein nachzugehen.

Auch die Ruderer sind in gedeckten Booten gerne auf dem größten deutschen Fluss in allen Richtungen unterwegs, zuweilen über einen Nebenfluss bis nach Frankreich hinein. Die Masters starten auch schonmal beim berühmten Rhein-Marathon. „Doch wir sind ein eigentlich ein Wanderruderverein“, sagt 2. Vorsitzender Ralph Kastner und verweist auf 40.000 geruderte Kilometer der emsigen Wanderfahrer des Clubs. Auch beim DRV-Wanderrudertreffen in diesem Jahr in Neuss sammelten die Rastatter fleißig Ruderkilometer.

Leistungssport spielt dagegen eher eine untergeordnete Rolle, was überwiegend auf den Mangel an qualifizierten Trainern und Übungsleitern zurückgeht. Vor zehn Jahren vertrat Meike Dütsch die Farben des RCR erfolgreich auf Junioren- und U23-Weltmeisterschaften, doch seitdem liegt der Schwerpunkt wieder auf dem Breitensport, was ja auch der ganz großen Mehrzahl aller anderen Rudervereine entspricht. Das praktische am Wanderrudern hat Vorsitzender Koerwer für sich persönlich schnell ausgemacht. Er, der ruderisch in Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz) an der Nahe sozialisiert wurde, war daran gewöhnt, vor Wanderfahrten die Boote abzuriggern und auf einem Hänger transportfertig zu machen. „Hier trifft man sich am Bootshaus und fährt einfach los“, freut er sich über die gute Lage des Clubs seiner Wahlheimat.

Besonders gut schaffen es die Rastatter, die so genannten Quereinsteiger in das rege Vereinsleben zu integrieren. „Quereinsteiger“ sind Menschen der Altersgruppe ab zirka 40 Jahren, die nach ihrer Berufsausbildung und Familiengründung feststellen, dass sie an ihrer Fitness arbeiten müssen oder wollen und so den Weg in einen Ruderverein, in diesem Fall schnurstracks an den Goldkanal, suchen und finden. „Wir geben ihnen nach dem Anfängerkurs Paten an die Hand, um sie nicht sich selbst zu überlassen“, erklärt Vorsitzender Koerwer das gut funktionierende Integrationskonzept, das die Rastatter erfolgreich implementiert haben und ihnen in den vergangenen Jahren einen schönen Mitgliederzuwachs beschert hat.

Einzigartig ist der RCR als Spartenverein, der mit Seglern und Motorbooten zusammenlebt, bemerkte auch Torsten Gorski, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ruderverbandes, der angereist war, um die Gratulation und Grüße des Präsidiums in humorigen Worten zu überbringen. Gorski berichtet weiter, dass im Jahr des 100. Jubiläums des Rastatter Ruder-Clubs etwas weiter rheinabwärts die FISA-Weltmeisterschaft in Köln-Fühlingen stattfand – so etwas wie ein ferner Geburtstagsgruß des Weltverbandes, so Gorski.

Das Zusammenleben der verschieden ausgelegten Wassersportgattungen ist außerdem deshalb bemerkenswert, da just am Tag der Feier zum 125. Jubiläum im fernen Berlin Ruderer mit Seglern und Kanuten für mehr Regelbewusstsein der Freizeitbootfahrer demonstrierten. Mit der Situtation in badischen Gewässern ist die in der Hauptstadt freilich kaum vergleichbar. „Unsere Motorbootfahrer sind organisiert und von daher schon ganz anders eingebunden“, erklärt Koerwer. Der Vorsitzende des Deutschen Motoryachtverbandes, Peter Haag, schlug in seinem Grußwort im prächtigen Saal des Rastatter Residenzschlosses vor, doch einmal darüber nachzudenken, reisende Motorbootlenker auch als Besucher in den Goldkanal einfahren zu lassen, was bislang auf dem auch von anderen Wassersportlern rege genutzten Gewässer nicht vorgesehen ist.

Nach dem Festakt ging es im Rastatter Schloss eine Etage tiefer zur Taufe eines neues Renn-Doppelvierers der italienischen Werft Salani, der extra mit einem Klickschuhsystem ausgestattet wurde, um Ruderern verschiedener Größe (und Schuhgröße) einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zum Boot zu ermöglichen. „Das Boot soll breitensportlich genutzt werden“, betonte Peter Siegmund in seiner Einführung vor der Taufe die Bestimmung des schmucken Vierers, der sowohl als Skull- als auch als Riemenboot genutzt werden soll. Gerade das Riemenrudern fristete bei viele Vereinen bekanntlich in den vergangenen Jahren ein Schattendasein – wenn überhaupt. Dann schritt Heike Breitenbücher, Vorsitzende des Landesruderverbandes Baden-Württemberg, zur Tat und taufte das Boot auf den etwas sperrigen aber dafür umso symbolträchtigeren Namen „Domenico Egidio Rossi“ – der Name keines Geringeren, als des ruhmreichen Architekten des Residenzschlosses, das schon rund bummelig 200 Jahre mehr auf dem Buckel hat, als der Verein, der sein neuestes Boot in den Gemäuern der Residenz feierlich seinen Namen gab und damit seiner Bestimmung übergab.

Bert Langbehn

                

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